Der Pflichtverteidiger – und die Vergütungsvereinbarung

Ein zum Pflichtverteidiger bestellter Anwalt muss vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dem Beschuldigten einen eindeutigen Hinweis erteilen, dass er auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zu weiterer Verteidigung verpflichtet ist.

Der Pflichtverteidiger – und die Vergütungsvereinbarung

Ein Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlten Honorars kann sich in einem solchen Fall auch aus § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB (culpa in contrahendo) ergeben.

Der gerichtlich zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt ist nicht gehindert, eine Honorarvereinbarung zu treffen1. § 3a Abs. 3 RVG, demzufolge Vereinbarungen mit im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälten nichtig sind, steht schon nach seinem Wortlaut nicht entgegen. Im Unterschied zur Prozesskostenhilfe ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht von den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten abhängig (vgl. § 140 StPO). Sie soll zwar auch dem mittellosen Beschuldigten die Verteidigung durch einen Strafverteidiger ermöglichen, der eigentliche Sinn und Zweck des Instituts der Pflichtverteidigung beruht jedoch auf dem Interesse eines Rechtsstaats an einem ordnungsmäßigen Verfahren und der dazugehörenden wirksamen Verteidigung2. Von einem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt unterscheidet sich der Pflichtverteidiger auch insofern, als er unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 1 RVG die Gebühren eines Wahlverteidigers verlangen kann. Die Durchsetzung des mit dem Pflichtverteidiger vereinbarten vertraglichen Honorars ist allerdings nicht von der vorherigen Feststellung der Leistungsfähigkeit des Beschuldigten abhängig3.

Der Wirksamkeit der Honorarvereinbarung steht nicht entgegen, dass sie keinen Hinweis darauf enthält, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte Anwalt den Mandanten auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung weiter zu verteidigen hat. Mit der Einführung von § 3a Abs. 1 RVG zum 1.07.2008 hat der Gesetzgeber zur Vereinheitlichung der bis dahin geltenden unterschiedlichen Formvorschriften die formellen Anforderungen an eine mit einem Rechtsanwalt geschlossene Vergütungsvereinbarung umfassend geregelt. Die Regelung in § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG begründet zum Schutz der Rechtsuchenden eine Hinweispflicht darauf, dass sie eine höhere als die gesetzliche Vergütung grundsätzlich selbst zu tragen haben4. Eine weitergehende Hinweispflicht wurde nicht begründet, wobei wie der Hinweis auf eine Kostenerstattung durch die Staatskasse zeigt auch der Fall einer Vereinbarung mit dem Pflichtverteidiger in den Blick genommen wurde.

Eine Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung kann auch nicht allein darauf gestützt werden, der Mandant sei nicht darüber informiert gewesen und habe nicht gewusst, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zu weiterer Verteidigung verpflichtet war. Weder ist eine dahingehende Aufklärung des Beschuldigten Wirksamkeitsvoraussetzung einer Honorarvereinbarung noch kann allein die unterlassene Aufklärung eine Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB begründen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 03.05.19795 ausgeführt, Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung zwischen einem Pflichtverteidiger und dem Beschuldigten sei eine Freiwilligkeit des Vertragsschlusses, welche unter anderem eine Kenntnis des Mandanten davon voraussetze, dass der Pflichtverteidiger seine Vergütung von der Staatskasse erhalte und zur Führung der Verteidigung kraft Gesetzes auch ohne Vergütung des Beschuldigten verpflichtet sei. Soweit hierin ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis gesehen wurde6, hält der nunmehr für Rechtsstreitigkeiten über Auftragsverhältnisse betreffend Ansprüche von Rechtsanwälten und gegen diese zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hieran nicht fest. Das Bedürfnis für ein solches Wirksamkeitserfordernis ist durch die Neuregelung der §§ 3 ff RVG mit dem Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren vom 12.06.20087 entfallen.

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Ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die der Nachprüfung im Wege der Revision unterliegt8. Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist, wobei nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen sind9. Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich; es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, wobei dem gleichsteht, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt10. Bei der Überprüfung eines Vertrages anhand von § 138 Abs. 1 BGB ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit von der Partei darzutun und zu beweisen sind, die sich auf sie beruft11.

Ob die fehlende Kenntnis des Mandanten davon, dass der zum Pflichtverteidiger bestellte Pflichtverteidiger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zu weiterer Verteidigung verpflichtet war, eine Zwangslage begründet und ob weitere besondere Umstände hinzutreten, die das Geschäft nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter als verwerflich erscheinen lassen12, ist eine Frage des Einzelfalls.

Unabhängig davon kann jedoch der Rückzahlungsanspruch des Mandanten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB, „culpa in contrahendo“) begründet sein:

Dahinstehen kann, ob Grundlage für eine Haftung des Anwalts nach § 280 Abs. 1 BGB bereits die im öffentlichen Interesse liegende Beiordnung des Pflichtverteidigers ist13. Denn die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung begründet ein Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB), die Verletzung der hierbei begründeten Pflichten kann zu einem Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB führen.

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Dem Mandanten kann ein Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zustehen, wenn der Pflichtverteidiger pflichtwidrig handelte. Ein zum Pflichtverteidiger bestellter Anwalt muss vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung einen eindeutigen Hinweis darauf erteilen, dass der Pflichtverteidiger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zu weiterer Verteidigung verpflichtet ist (§§ 48, 49 BRAO). Unterlässt er einen solchen Hinweis, handelt er pflichtwidrig. Dies folgt aus der Stellung des Pflichtverteidigers, der (zumindest auch) die Interessen des Beschuldigten wahrzunehmen hat, und aus der erkennbaren Interessenlage des Beschuldigten.

Nach § 140 Abs. 2 StPO ist ein Verteidiger zu bestellen, wenn dessen Mitwirkung wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sachund Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Mit dem Institut der notwendigen Verteidigung, das der einfachrechtlichen Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dient, und mit der Bestellung eines Verteidigers sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und zu diesem Zweck nicht zuletzt an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten hat14. Das Recht auf ein faires Verfahren zählt zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere des Strafverfahrens mit seinen möglichen einschneidenden Auswirkungen für den Beschuldigten15. Der Beschuldigte darf im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht nur Objekt des Verfahrens sein. Ihm muss vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen; hierzu ist er unter bestimmten Voraussetzungen auf rechtskundige Hilfe eines ihm verpflichteten Beistandes angewiesen16.

Wahlund Pflichtverteidiger haben jedenfalls wenn die Bestellung auf Wunsch oder mit Einverständnis des Beschuldigten erfolgt die gleiche Aufgabe und Funktion, ihre Rechtsstellung soll gleich sein17. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein Beschuldigter, dem ein Pflichtverteidiger bestellt wurde, grundsätzlich gleichen Rechtsschutz erhalten wie ein Beschuldigter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat; dies gebietet bereits das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), folgt aber auch aus Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK18. Dementsprechend sieht § 142 Abs. 1 StPO vor, dass dem Beschuldigten der Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen.

Anerkannt ist, dass einen Rechtsanwalt, der ein Wahlmandat begründen will, vorvertragliche Sorgfaltspflichten gegenüber einem Vertragsinteressenten treffen19. Gegenüber anspruchsberechtigten Mandanten kann er gehalten sein, auf die Möglichkeit hinzuweisen, Prozesskostenhilfe zu erlangen; handelt er für eine Sozietät, muss er darauf hinweisen, dass der Mandant trotz der Bewilligung von Prozesskostenhilfe weitergehenden Gebührenansprüchen der Sozietät ausgesetzt sein kann20. Der Anwalt muss ferner den Vertragsinteressenten dann aufklären, wenn die von diesem erstrebte Rechtsverfolgung erkennbar wirtschaftlich unvernünftig ist, weil das zu erreichende Ziel in keinem angemessenen Verhältnis zu den anfallenden Kosten steht21. Ein Rechtsanwalt kann verpflichtet sein, auf Verlangen der Partei die voraussichtliche Höhe seiner gesetzlichen Vergütung mitzuteilen22. Hierzu kann nach den Umständen des Falles auch die Pflicht zur Aufklärung des Mandanten über die mit dem Mandat verbundenen Gebühren rechnen, wenn andere als üblicherweise zu erwartende Gebühren anfallen und der Anwalt nicht voraussetzen kann, dass der Vertragsinteressent die Gebührenlage wenigstens in Grundzügen richtig zu beurteilen vermag. Aus besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die gebührenrechtliche Lage zu belehren23. Der Anwalt muss vor Vertragsschluss auch offenbaren, dass er mit Rücksicht auf andere Mandate seiner Sozietät von vornherein nicht bereit ist, den Vertragsinteressenten erforderlichenfalls auch vor Gericht zu vertreten24.

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Entscheidend für das Maß der Unterrichtung ist stets die für den Anwalt erkennbare Erkenntnis und Interessenlage des Auftraggebers. Der rechtssuchende Vertragsinteressent muss nach Lage des Falles ausreichend informiert sein, um über sein weiteres Vorgehen sachgerecht entscheiden zu können25. Dieser Gesichtspunkt kommt auch bei einem schon begründeten Anwaltsmandat zum Tragen. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist26.

Diese Pflichten treffen grundsätzlich in gleicher Weise den Pflichtverteidiger. Um sachgerecht darüber entscheiden zu können, ob der Beschuldigte eine Honorarvereinbarung mit dem für ihn bereits auf Antrag oder von Amts wegen bestellten Pflichtverteidiger abschließt, muss er die maßgeblichen Umstände kennen. Hierzu rechnet nicht nur die Aufklärung darüber, dass die Zahlungspflicht die gesetzlichen Gebühren übersteigt und dass die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss. Sachgerecht kann der Beschuldigte nur entscheiden, wenn er weiß, dass der Pflichtverteidiger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zur Verteidigung verpflichtet ist.

Dies gebietet auch die Interessenlage. Einerseits sieht sich der Beschuldigte einem Strafverfahren gegenüber, in dem wegen der Schwere der Tat, wegen der Schwierigkeit der Sachoder Rechtslage oder weil die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO vorliegen, die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist. Er sieht sich zumal wenn er angeklagt oder inhaftiert ist einem nicht unerheblichen Druck ausgesetzt. Sein Interesse ist erkennbar auf eine in seinem Sinne bestmögliche Verteidigung gerichtet. Er darf darauf vertrauen, dass der von ihm gewünschte und ihm beigeordnete Anwalt seine Interessen wahrt und seine Rechte wie ein Wahlverteidiger wahrnimmt.

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Der ihm zum Verteidiger bestellte Anwalt ist andererseits zur Verteidigung verpflichtet, sofern dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen (§§ 48, 49 BRAO). Der Pflichtverteidiger kann anders als ein Wahlverteidiger27 sein weiteres Tätigwerden in keinem Fall vom Zustandekommen einer Vergütungsvereinbarung abhängig machen. Da er kraft seiner Bestellung zur Übernahme der Verteidigung verpflichtet ist, darf der Pflichtverteidiger die Übernahme der Tätigkeit weder ausdrücklich noch mehr oder weniger verschleiert von dem Versprechen einer die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Vergütung abhängig machen. Nur völlig freiwillige Angebote sind dem Pflichtverteidiger erlaubt28. So kann es einen wichtigen Grund für die Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung darstellen, wenn der bestellte Anwalt auf den Abschluss einer die gesetzlichen Gebühren deutlich übersteigenden Honorarvereinbarung drängt und dabei zum Ausdruck bringt, ohne den Abschluss der Vereinbarung sei seine Motivation, für den Beschuldigten tätig zu werden, gemindert29.

Während bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts ein Mandant regelmäßig damit rechnen muss, dass er die gesetzliche anwaltliche Vergütung zu zahlen hat30, kann bei einem Beschuldigten, dem ein Pflichtverteidiger bestellt wird, regelmäßig keine Kenntnis von der gebührenrechtlichen Lage angenommen werden. Noch weniger kann eine Kenntnis des Beschuldigten davon erwartet werden, dass der Pflichtverteidiger, auch wenn er auf den Abschluss einer Honorarvereinbarung anträgt, zu weiterer Verteidigung auch ohne den Abschluss der Vereinbarung verpflichtet ist. Hierauf muss ein sorgfältig und gewissenhaft arbeitender Pflichtverteidiger in dieser Situation eindeutig hinweisen.

Dieser Pflicht war der Pflichtverteidiger im hier entschiedenen Fall nicht nachgekommen. Er hat seinen Mandanten nicht darüber aufgeklärt, dass er zu weiterer Verteidigung auch ohne den Abschluss der verfahrensgegenständlichen Honorarvereinbarung verpflichtet gewesen wäre.

Es obliegt nun dem Mandanten darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, wie er sich bei vollständiger Aufklärung verhalten hätte. Die in Fällen der Rechtsanwaltsund Steuerberaterhaftung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für vorvertragliche Pflichtverletzungen31 bestehende Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises gilt nicht generell. Sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf den Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen32. Um dies beurteilen zu können, müssen bestehende Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten33. Hiervon ausgehend sind in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden die Regeln des Anscheinsbeweises unanwendbar. Bei sachgerechter Aufklärung über den Regelungsinhalt der §§ 48, 49 BRAO vor Unterzeichnung der Honorarvereinbarung hätte aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten nicht eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen. Vielmehr kommen unter den Umständen des jeweiligen Einzelfalls unterschiedliche Schritte in Betracht; der Pflichtverteidiger hat dem Mandanten lediglich die erforderlichen fachlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung nicht gegeben34. Allerdings stellt die unterlassene Aufklärung des Mandanten über den Regelungsgehalt der §§ 48, 49 BRAO regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass der Beschuldigte eine ihm angetragene Honorarvereinbarung bei pflichtgemäßer Aufklärung nicht unterzeichnet hätte. Ob allein hierauf eine Überzeugung vom Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität gestützt werden kann, was möglich erscheint, muss vom Tatrichter je nach den Umständen des Falles beurteilt werden. Der Pflichtverteidiger kann sich auch nicht damit entlasten, er hätte wie er vorgetragen hat ohne Abschluss der Honorarvereinbarung auf seine Entpflichtung hingewirkt. Ob und inwieweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen, wäre vielmehr Teil der dem Pflichtverteidiger vor Abschluss der Honorarvereinbarung obliegenden Aufklärung gewesen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund im Sinne des gemäß § 49 BRAO anwendbaren § 48 Abs. 2 BRAO oder im Sinne der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze35 nicht schon dann vor, wenn eine Verteidigung zu den für Pflichtverteidiger vorgesehen Gebühren nicht dessen wirtschaftlichen Interessen entspricht.

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Hinsichtlich eines möglichen Schadens weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der Geschädigte einer schuldhaften Pflichtverletzung bei Vertragsverhandlungen so zu stellen ist, wie er bei Offenbarung der für seinen Vertragsschluss maßgeblichen Umstände gestanden hätte36. Dies kann auch einen Rückzahlungsanspruch tragen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2018 – IX ZR 216/17

  1. vgl. BGH, Urteil vom 03.05.1979 – III ZR 59/78, MDR 1979, 1004[]
  2. BGH, aaO; AnwKommRVG/Onderka/Schneider, 8. Aufl., § 3a Rn. 26; BeckOKRVG/von Seltmann, 2017, § 3a Rn. 27; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Strafund Bußgeldsachen, 5. Aufl., Teil A Rn. 2327; Mertens/Stuff/Mück, Verteidigervergütung, 2. Aufl., S. 50[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 09.12 1982 – III ZR 182/81, NJW 1983, 1047, 1048[]
  4. BT-Drs. 16/8384, S. 9 f[]
  5. BGH, Urteil vom 03.05.1979 – III ZR 59/78, aaO[]
  6. vgl. OLG Karlsruhe, StRR 2016, Nr. 8, 21; AnwKommRVG/Onderka/Schneider, aaO Rn. 27; BeckOKRVG/von Seltmann, aaO Rn. 29; Krämer/Mauer/Kilian, Vergütungsvereinbarung und management, 2005, Rn. 524[]
  7. BGBl. I S. 1000[]
  8. BGH, Urteil vom 30.10.1990 – IX ZR 9/90, NJW 1991, 353, 354 mwN[]
  9. BGH, Urteil vom 10.10.1997 – V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590, 591 mwN[]
  10. BGH, aaO mwN[]
  11. BGH, Urteil vom 23.02.1995 – IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1429; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 138 Rn. 23; BeckOKBGB/Wendtland, 2018, § 138 Rn. 39[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599[]
  13. vgl. Rinkler in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn.200 mwN[]
  14. BGH, Urteil vom 11.12 1952 3 StR 396/51, BGHSt 3, 395, 398; BVerfGE 46, 202, 210; 63, 380, 391; 70, 297, 323; BVerfG NJW 1984, 113; KKStPO/Laufhütte/Willnow, 7. Aufl., § 140 Rn. 1 mwN; MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 140 Rn. 1[]
  15. BVerfG NJW 2001, 3695, 3696 mwN[]
  16. BVerfG NStZ 1998, 363, 364 mwN[]
  17. vgl. Löwe/Rosenberg/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., vor § 137 Rn. 68 ff, § 140 Rn. 16; SKStPO/Wohlers, 5. Aufl., vor § 137 Rn. 39 mwN[]
  18. BVerfG, NJW 1959, 571; NJW 2001, 3695, 3696; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20.03.1996 2 ARs 20/96, BGHSt 92, 94, 96[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1997 – IX ZR 49/97, NJW 1998, 136, 137[]
  20. BGH, Urteil vom 15.07.2010 – IX ZR 227/09, NJW 2011, 229 Rn. 9[]
  21. BGH, Urteil vom 18.09.1997, aaO[]
  22. BGH, Urteil vom 13.03.1980 – III ZR 145/78, BGHZ 77, 27, 29 mwN[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486, 3487[]
  24. BGH, Urteil vom 08.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 11 ff[]
  25. vgl. BGH, Urteil vom 13.03.1980, aaO[]
  26. BGH, Urteil vom 01.03.2007 – IX ZR 261/03, NJW 2007, 2485 Rn. 9 f mwN[]
  27. vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775; vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 34; vom 07.02.2013 – IX ZR 138/11, NJW 2013, 1591 Rn. 9[]
  28. vgl. Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl., Rn. 1199[]
  29. vgl. KG, StV 2013, 142[]
  30. vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1998, aaO[]
  31. vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2007 – IX ZR 44/04, BGHZ 174, 186 Rn.19[]
  32. BGH, Urteil vom 16.07.2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 25 ff mwN[]
  33. BGH, aaO[]
  34. vgl. BGH, aaO[]
  35. vgl. BVerfG NStZ 1998, 46; NJW 1975, 1015; KKStPO/Laufhütte/Willnow, aaO § 143 Rn. 4 f; BeckOKStPO/Krawczyk, 2018, § 143 Rn. 6 ff[]
  36. BGH, Urteil vom 19.05.2006 – V ZR 264/05, BGHZ 168, 35, 39[]
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