Das klageabweisende Urteil – und seine Doppelbegründung mit Unzulässigkeit und Unbegründetheit

In der Abweisung einer Klage zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung aber bei einer zutreffenden Beurteilung der Unzulässigkeit der Klage nicht beruhen kann.

Das klageabweisende Urteil – und seine Doppelbegründung mit Unzulässigkeit und Unbegründetheit

Zwar ist dieses Vorgehen aus zwei Gründen verfahrensfehlerhaft. Zum einen darf ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nur nach einer positiven Entscheidung über die Zulässigkeit einer Klage eine Sachentscheidung treffen. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung der Zulässigkeits- als Sachurteilsvoraussetzungen gemäß §§ 40 ff. VwGO1.

Ob und gegebenenfalls inwieweit es Ausnahmen von dem Grundsatz des Vorrangs der Zulässigkeitsvoraussetzungen dergestalt gibt, dass diese offen gelassen und über die Begründetheit der Klage entschieden werden darf2, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage unter Verweis auf das Fehlen des erforderlichen Feststellungsinteresses – zutreffend – verneint und gleichwohl noch eine ebenfalls negative Entscheidung über deren Begründetheit getroffen.

Hierzu war es nach dem Grundsatz des Vorrangs der Zulässigkeitsvoraussetzungen in keinem Fall befugt3. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht nicht beachtet, dass eine Klage auch wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen werden darf4.

Jedoch beruht das angefochtene Urteil nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf diesem Verfahrensmangel. Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Tenor des Urteils. Die Klage muss erfolglos bleiben, weil es der Klägerin an dem erforderlichen Interesse an der erstrebten Feststellung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO fehlt, das Urteil also als Prozessurteil Bestand hat. Darüber hinaus darf die Klägerin auch durch den „überschießenden“ materiellen Teil der Urteilsbegründung nicht beschwert werden. Weil das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei nur ein Prozessurteil erlassen konnte, dürfen – was hiermit klargestellt wird – seine Ausführungen zur Unbegründetheit der Klage nicht in Rechtskraft erwachsen5.

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Die fehlerhaft zugelassene Berufung

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2018 – 6 B 133.18

  1. BVerwG, Urteil vom 08.02.2017 – 8 C 2.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:080217U8C2.16.0], BVerwGE 157, 292 Rn.19[]
  2. vgl. für das hier in Rede stehende Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 11.11.1991 – 4 B 190.91, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 237; für das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO: BGH, Urteil vom 14.03.1978 – VI ZR 68/76 – NJW 1978, 2031, 2032; für das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis: BGH, Beschluss vom 26.09.1995 – KVR 25/94 – BGHZ 130, 390, 399 f.[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 12.04.1957 – 4 C 52.56, BVerwGE 5, 37, 39[]
  4. BVerwG, Urteil vom 12.07.2000 – 7 C 3.00, BVerwGE 111, 306, 312; Beschlüsse vom 03.11.2000 – 6 B 2.00 3; vom 09.10.2006 – 6 BN 2.06 6; vom 24.10.2006 – 6 B 47.06, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 1 Rn. 18; vom 22.05.2007 – 6 B 19.07 6; vom 02.11.2011 – 3 B 54.11, Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 96 Rn. 6; vom 29.07.2015 – 5 B 36.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:290715B5B36.14.0] 6; und vom 08.10.2015 – 4 B 13.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:?081015B4B13.15.0] 11; aus der Rechtsprechung des BGH: Urteile vom 14.03.1978 – VI ZR 68/76 – NJW 1978, 2031, 2032; und vom 04.05.2018 – V ZR 266/16 – NJW-RR 2018, 974 Rn. 15[]
  5. so unter Verweis darauf, dass die der Prozessabweisung verfahrensfehlerhaft beigegebene Sachbeurteilung als „nicht geschrieben“ gelte, allgemein: BVerwG, Urteil vom 12.07.2000 – 7 C 3.00, BVerwGE 111, 306, 312; Beschlüsse vom 03.11.2000 – 6 B 2.00 3; vom 09.10.2006 – 6 BN 2.06 6; vom 24.10.2006 – 6 B 47.06, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 1 Rn. 18; vom 22.05.2007 – 6 B 19.07 6; vom 29.07.2015 – 5 B 36.14 6; vom 08.10.2015 – 4 B 13.15 11; vom 03.11.2016 – 3 B 4.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:031116B3B4.16.0] 5; aus der Rechtsprechung des BGH: Urteile vom 16.01.2008 – XII ZR 216/05 – NJW 2008, 1227, 1228; und vom 04.05.2018 – V ZR 266/16 – NJW-RR 2018, 974 Rn. 15[]
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