Uneigentliche Organisationsdelikte – und die Verjährung

Sind die Einzelfälle einem Angeklagten im Wege des uneigentlichen Organisationsdelikts und damit als tateinheitlich begangen (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) zuzurechnen1, so war jeder Einzelfall erst mit Ende der Tatserie beendet, weil solange seine einmal erteilte organisatorische Anweisung fortwirkte.

Uneigentliche Organisationsdelikte – und die Verjährung

Für die Beendigung des uneigentlichen Organisationsdelikts gelten die gleichen Grundsätze wie für die gesetzlich normierten ?eigentlichen? Organisationsdelikte2. Damit läuft die Verjährung für alle Einzelfälle innerhalb eines Organisationsdelikts einheitlich3.

Zwar unterscheidet sich das uneigentliche Organisationsdelikt vom eigentlichen oder von sonstigen Fällen einer tatbestandlichen Handlungseinheit wie insbesondere einer Bewertungseinheit dadurch, dass mehrere tateinheitlich begangene Fälle (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) und nicht nur ein einziger Fall anzunehmen sind. Entscheidend ist aber, dass der Tatbeitrag des organisierenden Hintermanns für alle weiteren Einzelfälle der Tatserie ursächlich ist. Denn die Tat ist erst beendet, wenn der Täter sein „rechtsverneinendes Tun“ insgesamt abgeschlossen und das Tatunrecht mithin tatsächlich in vollem Umfang verwirklicht hat4. Die Fälle der mehrmaligen Verletzung desselben Strafgesetzes (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) sind bezüglich der Beendigung der Tat anders als die Fälle des § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB zu behandeln, innerhalb welcher die Verjährungsfrist für jeden Straftatbestand gesondert zu bestimmen ist.

Freilich darf die über das uneigentliche Organisationsdelikt gebildete rechtliche Handlungseinheit im Rahmen der Verjährungsprüfung nicht zur Umgehung des Zweifelsgrundsatzes führen. Danach bestimmt sich ?in dubio pro reo? die Frage der Verfolgungsverjährung bei einem nicht eindeutig feststellbaren Tatbeendigungszeitpunkt nach der für den Angeklagten günstigeren Fallkonstellation5. Dies kann sich dann auswirken, wenn in Frage steht, ob der organisierende Hintermann innerhalb der Tatserie neben seinem Organisationsbeitrag doch Beiträge leistete, die sich nur auf bestimmte Taten beziehen. Solches würde nicht nur den Schuldspruch (§ 53 StGB) betreffen, sondern, sofern weitere einzelne Tatbeiträge bereits nicht auszuschließen wären, bei Einhaltung des Zweifelsgrundsatzes auch die Verjährungsfrage: Die Verjährung solcher individuell geförderten Taten würde sich dann nach Beendigung der Einzeltat bestimmen, auch wenn die Tatserie andauert.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. November 2020 – 1 StR 328/19

  1. zum uneigentlichen Organisationsdelikt bei Mittäterschaft siehe nur: BGH, Urteile vom 17.06.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f.; und vom 19.08.2020 – 5 StR 558/19 Rn. 52; Beschlüsse vom 19.05.2020 – 2 StR 398/19 Rn. 14; und vom 06.12.2018 – 1 StR 186/18 Rn. 5[]
  2. vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 30.03.2001 – StB 4/01 und 5/01 Rn. 16, 19, BGHSt 46, 349, 355, 357; und vom 18.02.2000 – StB 2/00 Rn. 5, BGHR StGB § 129a Verjährung 1[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 16.05.2017 – 2 StR 169/15 Rn. 37 f.[]
  4. st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 13.11.2019 – 1 StR 58/19 Rn. 9; und vom 12.12.2017 – 2 StR 308/16 Rn. 24; Urteile vom 18.05.2017 – 3 StR 103/17 Rn. 15; und vom 02.12.2005 – 5 StR 119/05 Rn. 24[]
  5. st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 06.05.2020 – 4 StR 53/20 Rn. 4; vom 15.02.2018 – 4 StR 594/17 Rn. 3; vom 05.08.2014 – 3 StR 138/14 Rn. 2; und vom 19.02.1963 – 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274, 278 f.[]