Der reisende Konsularbeamte

Ein Konsularbeamter, der sich bei der Fahrt durch die Bundesrepublik Deutschland nicht auf der direkten Rückreise von seinem Dienstort im Empfangsstaat in seinen Entsendestaat befindet, genießt keine Immunität nach Art. 54 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.04.19631 (WÜK).

Der reisende Konsularbeamte

Demgemäß genoss auch der Angeklagte B. in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall eine Immunität nach Art. 54 Abs. 1 WÜK, denn selbst nach seiner Einlassung lagen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor: Er befand sich bei der Fahrt durch die Bundesrepublik Deutschland – was schon in Anbetracht der geographischen Lage einleuchtend ist – nicht auf der direkten Rückreise von seinem Dienstort I. im Empfangsstaat Türkei in den Entsendestaat – die Mongolei; vielmehr will er sich auf der Fahrt zu einer Tagung mit anderen mongolischen Konsularbeamten in Belgien befunden haben. Auch wenn – was das Landgericht allerdings rechtsfehlerfrei als widerlegt angesehen hat – er von dort unmittelbar in die Mongolei hätte weiterreisen wollen, wären die Voraussetzungen von Art. 54 Abs. 1 WÜK nicht gegeben.

Geschützt sind nur Reisen durch einen Drittstaat, deren Zweck ausschließlich der Transit mit dem Ziel ist, den Empfangs- oder den Entsendestaat zu erreichen2.

Dieser Zweck ist auch dann nicht erfüllt, wenn sich der Diplomat oder Konsularbeamte aus anderen Gründen dienstlich vorübergehend in einem Drittstaat aufhält oder diesen durchquert; in einem solchen Fall können sich Vorrechte und Befreiungen zwar gegebenenfalls aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben – etwa aus Art. 42 des Übereinkommens über Sondermissionen vom 08.12.1969, dessen Voraussetzungen hier freilich ebenfalls nicht vorliegen, nicht aber aus Art. 54 Abs. 1 WÜK3.

Nur eine solche Auslegung entspricht Sinn und Zweck von Art. 54 Abs. 1 WÜK, dessen Anwendung auf dasjenige beschränkt ist, was zur Ermöglichung eines ungestörten diplomatischen Verkehrs zwischen dem Entsende- und dem Empfangsstaat notwendig ist4 (WÜD).

Die für Sondermissionen geltenden Regelungen, nach denen ein Drittstaat etwa nur dann gehalten ist, den in einer Sondermission reisenden Vertretern eines Entsendestaats Immunität zu gewährleisten, wenn er entweder im Sichtvermerksantrag oder durch Notifizierung im Voraus von der Durchreise als Mitglied einer Sondermission unterrichtet wurde und keine Einwände erhoben hat (Art. 42 Abs. 4 des Übereinkommens über Sondermissionen vom 08.12.1969) würden im Übrigen leerlaufen, wenn die – hier gar erst nachträglich abgegebene – Erklärung, der Konsularbeamte habe nach der Sondermission in seinen Heimatstaat reisen wollen, zur Begründung der Immunität nach Art. 54 Abs. 1 WÜK genügte. Die entgegenstehende Auffassung, es sei „unerheblich“, dass „die Heimreise nicht auf direktem Weg“ angetreten worden sei, erweist sich mithin als rechtsirrig.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. Mai 2021 – 5 StR 482/20

  1. BGBl.1969 II, S. 1585 ff.[]
  2. BGH, Beschluss vom 05.10.2018 – StB 43-44/18, NStZ-RR 2018, 386, 387; Kreicker, aaO, S. 609; vgl. auch Seidenberger, Diplomatische und konsularische Immunitäten und Privilegien, 1994, S. 124: Reise „mit dem primären Zweck, sein Amt im Empfangsstaat anzutreten bzw. davon zurückzukehren.“[]
  3. vgl. Seidenberger aaO[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2018 – StB 43-44/18, NStZ-RR 2018, 386, 387 zur Parallelvorschrift des Art. 40 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961, BGBl.1964 II, S. 958 ff.[]