Umsatzsteuerliche Organschaft – und die wirtschaftliche Eingliederung

Die wirtschaftliche Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen.

Umsatzsteuerliche Organschaft – und die wirtschaftliche Eingliederung

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wonach „jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln“ kann.

Die wirtschaftliche Eingliederung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sind1.

Bei einer deutlichen Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung ist es dabei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt. Es genügt dann, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen. Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus, ohne dass die Organgesellschaft wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein braucht. So hat es der Bundesfinanzhof zum Beispiel als ausreichend angesehen, dass der Verkauf von Grund und Boden (Miteigentumsanteil an dem jeweiligen Grundstück) durch den Organträger und dessen Bebauung (schlüsselfertige Erstellung von Wohnungseigentum) durch die Organgesellschaft aufeinander abgestimmt sind, und der Organträger zudem in einem nicht unerheblichem Umfang in Geschäftsbeziehungen zur Organgesellschaft steht, indem er zum Beispiel einen Personenkraftwagen und Büroausstattung an die Organgesellschaft verpachtet sowie eine -für die Tätigkeit wesentliche- Musterwohnung als Vorzeigeobjekt für Kaufinteressenten vermietet. In diesem Fall liegen mehr als nur unerhebliche Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft vor2.

Der BFH hat in seiner weiteren Rechtsprechung an diesen Kriterien festgehalten3.

Die wirtschaftliche Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen4.

Eine wirtschaftliche Eingliederung ist auch nicht bereits deshalb zu verneinen, weil eine Beteiligung des Gesellschafters an dem anderen Unternehmen nicht seinem Unternehmensvermögen zugeordnet haben könnte. Entscheidend ist allein, ob die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sind. Ohne dass der Bundesfinanzhof nach den Verhältnissen des Streitfalls darüber zu entscheiden hätte, ob im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Eingliederung überhaupt Zuordnungserfordernisse bestehen, versteht er die vom Finanzamt hierzu zitierte Verwaltungsregelung (Abschn.02.8 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Abschn.02.3 Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) dahingehend, dass es auf die Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit entsprechend den Kriterien der Bundesfinanzhof-Rechtsprechung ankommt.

Im Hinblick auf eine mögliche mittelbare wirtschaftliche Eingliederung der GmbH in das Unternehmen des Gesellschafters ist daher festzustellen, welche Beziehungen in den Streitjahren zwischen der GmbH und den anderen Gesellschaften der Gruppe bestanden und, falls daraus eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der GmbH und einer anderen Gesellschaft der Gruppe folgen sollte, ob die mit der GmbH wirtschaftlich verflochtene Gesellschaft eine Organgesellschaft des Gesellschafters war. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Leistungserbringung der GmbH an Dritte für sich genommen keine Verflechtung zwischen der GmbH und den Gesellschaften der V-Gruppe begründen kann. Des Weiteren ist es für die mittelbare wirtschaftliche Eingliederung der GmbH nicht ausreichend, dass der Gesellschafter gegen Zahlung von Provisionen Leistungen an die übrigen Gesellschaften der Gruppe erbrachte, da dies lediglich eine Organschaft zwischen ihm und diesen Gesellschaften begründen könnte.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Mai 2023 – V R 28/20

  1. BFH, Urteile vom 01.02.2022 – V R 23/21, BFHE 276, 362, BStBl II 2023, 148, Rz 23; vom 07.07.2011 – V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, Rz 21; und vom 20.08.2009 – V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II. 2.c aa; BFH, Beschluss vom 13.11.2019 – V R 30/18, BFHE 267, 171, BStBl II 2021, 248, Rz 15[]
  2. BFH, Urteil vom 29.10.2008 – XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II. 1.b cc[]
  3. vgl. zum vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen, wobei die Tätigkeiten in diesen Bereichen zumindest aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen müssen: BFH, Urteile vom 18.06.2009 – V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, unter II. 3.b aa; vom 03.04.2003 – V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, unter II. 1.c; und vom 25.06.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534, unter II. 2.a; zum Erfordernis von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen den Unternehmensbereichen BFH, Urteile vom 01.02.2022 – V R 23/21, BFHE 276, 362, BStBl II 2023, 148, Rz 28; vom 23.02.2012 – V R 59/09, BFHE 237, 255, BStBl II 2012, 544, Rz 21; vom 29.01.2009 – V R 67/07, BFHE 225, 172, BStBl II 2009, 1029, unter II. 3.c bb[]
  4. BFH, Urteile vom 20.08.2009 – V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II. 2.c ee (1); und vom 01.02.2022 – V R 23/21, BFHE 276, 362, BStBl II 2023, 148, Rz 27[]